Auf der Suche nach dem Aufbruch

Arbeitsgemeinschaften

Auf der Suche nach dem Aufbruch

 

Wie nur die Wähler zurückgewinnen? Die AG 60plus der SPD diskutiert darüber in Plattling

 

Von Dominik Schweighofer

Plattling. Da leidet gerade eine Partei ganz gewaltig an der Missachtung durch den Wähler, aber auch an sich selbst – diesen Eindruck bekommt man derzeit als Beobachter der altehrwürdigen SPD. Viel ist seit Monaten bei den Sozialdemokraten von Aufbruch, von Erneuerung die Rede – allein die Umfragewerte werden immer

trostloser. Was also tun? Wie diesen für die Genossen so erschütternden Trend umkehren? Um über diese für die Zukunft der Partei existenziellen Fragen zu diskutieren, hat sich die SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus des Bezirks Niederbayern am Mittwoch zu seiner Sitzung in der Plattlinger Fischerstub’n Anja König  eingeladen. Die 48-Jährige aus Landshut ist Landesvorstandsmitglied der Bayern-SPD und Sprecherin des Forums Demokratische Linke (DL 21), eines Zusammenschluss linker Kräfte innerhalb der SPD.

 

Anja König fordert Abkehr

von der Agenda 2010

„Erneuerung der SPD – Wie geht das?“ – hat König ihren Vortrag vor den 60plus-Genossen betitelt. Und sie kommt gleich zur Sache: Eine Forderung nach mehr Optimismus in der Partei, wie von Generalsekretär Lars Klingbeil artikuliert, reiche schon lange nicht mehr. Stattdessen müsse sich die SPD endlich offensiv zur Abkehr von der Schröderschen Agenda

2010 bekennen, besonders bei den Hartz-IV-Regelungen. Da dürfte es König freuen, dass eben jener Lars Klingbeil gerade im „Focus“ verkündet: „Hatz IV ist passé!“

Auch personelle Fragendürften kein Tabu sein. „Wir brauchen wieder Idealisten an der Parteispitze“, sagt König und erntet viel zustimmendes Nicken von den 15 SPD-Senioren in der Fischerstub’n. Und es gebe auch immer noch genügend idealistische Parteimitglieder,

nur hätten die sich in den letzten 20 Jahren stark zurückgezogen. Eine Erneuerung müsse deshalb auch von der Basis ausgehen, so König, schließlich wisse man dort am besten, wo

den Menschen der Schuh drückt. „Wir müssen wieder den Mensch in den Mittelpunkt unserer Politik stellen und nicht die Industrie oder die Lobbygruppen“, fordert König. Für die Bürger, die sich nicht selbst helfen könnten, müsse die SPD da sein. Als Leiterin des Service-Centers

einer Betriebskrankenkasse sei ihr auch die Bürgerversicherung ein ganz besonderes Anliegen, so Anja König. Mit der Abschaffung der Zweiklassenmedizin könne sich die SPD als wirklich soziale Partei profilieren, ist die Landshuterin überzeugt. Das anfängliche Umfragehoch von Werten bis zu 31 Prozent für Kanzlerkandidat Martin Schulz

habe doch gezeigt, welches Wählerpotenzial die SPD mit den richtigen Themen und dem richtigen Personal immer noch habe. Doch wie dieses Potenzial anzapfen? Jedenfalls nicht in der Groko, da sind sich die Genossen in der Fischerstub’n bei der anschließenden Diskussion einig. Als Gefangene dieser ungeliebten Koalition fühle man sich, ist gleich von mehreren Seiten zu hören. Mit „kleinlichen Ergebnissen“ müsse man sich seit Jahren zufrieden geben und wenn es Fortschritte gebe, dann werde viel zu wenig deutlich, dass diese eigentlich auf das Konto der SPD gingen.

„Wer die SPD am Leben erhalten will, der muss jetzt laut werden“, fordert Anja König von

den Genossen im Raum ein deutliches Bekenntnis zum Ende der Groko.

Einen etwas anderen Akzent setzt dann Ute Kubatschka, Mitglied des Bezirksvorstands der AG 60plus und seit über 50 Jahren in der Partei: Es sei immer wieder die Sozialdemokratie gewesen, die auf die großen gesellschaftlichen Fragen wie etwa die Industrialisierung die richtigen Antworten gefunden habe. Das müsse jetzt bei den entscheidenden Zukunftsthemen

wie Klimawandel oder den Folgen der Digitalisierung für die Arbeitswelt, wieder genauso sein. „Mit Klein-Klein kommen wir nicht mehr weiter.“

Von ihren Erfahrungen bei den letzten Wahlkämpfen berichten gleich mehrere Genossen an diesem Nachmittag. Immer wieder habe man sich von den Bürgern Ähnliches anhören müssen: „Ich weiß nicht, wofür ihr eigentlich steht!“; oder: „Ihr interessiert euch nicht mehr für den kleinen Mann!“ Regelrecht gefreut hätten sich viele gerade aus schwächeren sozialen Schichten, dass die SPD bei der Landtagswahl so katastrophal abgeschnitten habe. „Die

wählen dann gegen ihre eigenen Interessen AfD. Das tut richtig weh“, so ein Genosse am Tisch. Neben einem klareren sozialen Profil müsse man deshalb auch immer und immer wieder im persönlichen Gespräch mit den Menschen, aber auch über die Medien deutlich machen, was die Sozialdemokraten für die Bürger erreicht hätten.

Als regionales Beispiel nennt Gerlinde Saller den zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke

zwischen Plattling und Landshut. „Das war schon vor zwölf Jahren unser Vorschlag.“

Und nun lasse sich trotzdem der CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer dafür feiern. „Die anderen klauen unsere Ideen und profitieren davon.“

Wie also soll in dieser schwierigen Gemengelage der Aufbruch gelingen? Hartmut Manske, der Vorsitzende der AG 60plus, sieht einen Teil der Lösung ausgerechnet beim einstigen Juniorpartner. „Die Grünen machen es uns vor.“ Denn die würden auf wenige, dafür starke Themen setzen und die mit einem positiven Auftreten an die Öffentlichkeit bringen. „Das

müssen wir mit unseren Themen auch tun“, so Manske. „Wir müssen raus der Resignation.“

 

Bild:

„Wer die SPD am Leben erhalten will, muss jetzt laut werden“, fordert Anja König (M), Vorstand der Bayern-SPD aus Landshut, von den der AG 60plus in der Ficherstub`n.  –F.:Schw- Dingolfinger Anzeiger 09. November 2018

 
 

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