Tagesmütter oder Kitas? – Das ist die Frage

Arbeitsgemeinschaften

Hartmut Manske, Hedi Wegener,MdB aD.,Bruni Irber,MdB aD.

01.04.2011

Bezirkskonferenz der SPD-Seniorenorganisation 60plus – MdB Wegener referierte

P l a t t l i n g . (hk)

Am Dienstagnachmittag hielt die SPD-Seniorenorganisation 60plus Niederbayern im Plattlinger„Preysinghof“ eine Bezirkskonferenz ab. Als Gastredner zum Thema Kindertagesstätten konnte die Vorsitzende, MdB a.D. Bruni Irber, ihre ehemalige Kollegin im Deutschen Bundestag, MdB a.D. Hedi Wegener begrüßen, die als Vorsitzende des „Bundesverbandes für Kindertagespflege“ gekommen war.

Bruni Irber gab eine Stellungnahme zur aktuellen Atompolitik ab. Für die Opfer der japanischen Atomkatastrophe wurde eine Gedenkminute
eingelegt.

Neben ihren Vorstandskollegen konnte Bruni Irber auch die „alte Garde“ von 60plus in Person von Anton Bernauer und den ehemaligen Bürgermeister von Offenberg, Ludwig Kandler, begrüßen. Die Gastrednerin
stellte Irber als studierte Sozialpädagogin, praktizierende Bewährungshelferin und profunde Kennerin der Materie Kinderbetreuung
vor. Bei der Kinderbetreuung gehe es zurzeit ganz intensiv um den Begriff U3, das heiße, so Wegener, Kinder unter drei Jahren in Tagesstätten
zur Betreuung geben zu können, weil der gesetzliche Anspruch darauf mit dem Jahr 2012 immer näher rücke. Die Schwierigkeit der Umsetzung bei der Schaffung von genügend Tagesbetreuungseinrichtungen
bundesweit sei aber die, dass man nicht genau wisse für wie viele Kinder man bauen solle, weil eine zahlenmäßig sichere Vorplanung sehr schwierig sei.

„Wir wissen ja gar nicht, wie viele Kinder in den nächsten Jahren überhaupt geboren werden“, so die Referentin. Díeses Problem betreffe jedoch nicht nur die Tagesstätten, sondern auch die nachfolgenden Kindergärten und Schulen. „Man kann zwar „P mal Daumen“ sagen und die Rechnung aufstellen, dass die kinderkriegende Generation 1,7 Kind pro Frau bekommt und sich dann in den Kommunen ausrechnen wie viele es jeweils sind, aber das ist keine Planungssicherheit“, so die Referentin, die Bayern hinsichtlich der Kinderbetreuung als einen großen weißen Fleck bezeichnete.

Nur in Müchen sei alles so gut wie in anderen Bundesländern geregelt.
Um auch für Bayern zu einer besseren Lösung zu kommen, sagte Hedi
Wegener, werde sie sich am Mittwoch mit der bayerischen Landesvorsitzenden für Kindertagespflege, Rosa Hochschwarzer treffen, damit die Zusammenarbeit von Bundes und Landesverband optimiert werde.

„Was ist denn Kindertagespflege überhaupt?“, stellte Wegener in den Raum und erläuterte dazu: „Kindertagespflege bedeutet, dass in einem privaten Haushalt ein Mann oder eine Frau Kinder aufnimmt. Was müssen diese Personen erfüllen?“, war die zweite Frage. „Diese Personen“, so die Referentin, „müssen ein Zertifikat vom Bundesverband vorweisen können, dass sie bereits 160 Stunden Ausbildung in der Tagespflege absolviert haben, um vom Jugendamt als Tagesmutter- oder Vater anerkannt zu werden. Das Jugendamt überprüft dann das Zertifikat,
verlangt ein Führungszeugnis und überprüft auch die Räumlichkeiten
für die aufzunehmenden Kinder. Nur wenn alle vorgegebenen Standards des Amtes erfüllt sind, wird die Erlaubnis erteilt eine adäquate Anzahl von Kindern aufzunehmen.“

Vereine in Vermittlungsrolle
In verschiedenen Städten und Gemeinden werde die Vermittung von
Tagespflegestellen neben dem Jugendamt auch von Vereinen übernommen.

„Was machen Tageseltern?“, stellte die Referentin weiter in den Raum, die dabei auch auf Ortschaften einging, die keine verlässliche Grundschule haben, Schulen, die die Kinder nach dem Unterricht einfach sich selbst überlassen, ohne zu wissen, wie die nach Hause kommen. Wegener dazu: „Tageseltern betreuen, beaufsichtigen und pflegen zu den üblichen Kita-Zeiten aber nach Absprache mit den Eltern auch zu anderen, den so genannten Randzeiten.“ Diese Randzeiten seien eben solche Zeiten in denen die Kinder nach der Schule nicht wüssten wohin. Durch diese Sondervereinbarungen könnten auch da Tageseltern helfen.

„Wohin mit dem Kind“
Als ein weiteres Beispiel nannte Hedi Wegener eine alleinerziehende
Krankenschwester mit Wochenenddienst.

„Alle Kitas geschlossen, wohin mit dem Kind?“ – das sei dann die oft unlösbare Frage. „Also zur Tagesmutter, weil es bei der heutigen Flexibilität kaum noch einen Rückgriff auf Großeltern gibt“, hieß
die Lösung für die Referentin. „Laut Jugendamt dürfen eins bis fünf Kinder
aufgenommen werden“, erklärte Wegener die weiteren Modalitäten
und ging dann auch auf persönliche Animositäten ein, die zwischen Eltern
und Tageseltern auftreten können, die im persönlichen Gespräch ausgeräumt werden müssten.

Am meisten gesucht seien Plätze für U3-Kinder, also Kinder unter drei Jahren. Deshalb gebe es ja das Problem für viele Gemeinden, die sich den Bau einer Kita einfach nicht leisten könnten. Dazu komme, dass nicht alle Familien zwei Autos hätten, um so das Kind beispielsweise 12 Kilometer weiter in die nächste Kita bringen zu können. Deshalb sei eine Tagesbetreuung am Ort völllig unproblematisch. Zu überlegen sei auch für viele Kommunen, ob sich bei sinkender Kinderzahl eine Investition von 500 000 oder 600 000 Euro überhaupt noch lohne, wenn es mit den Kinderzahlen weiter so bergab gehe. Das betreffe ja dann auch Kindergärten und nicht zuletzt auch die Schulen.

Zum Status der Tageseltern sagte die Referentin, dass diese Selbstständige seien, die pro Kind einen nach Einkommen berechneten Betrag verlangen können. Wer sein Einkommen nicht angeben wolle, der müsse den Höchstbetrag zahlen. Die gebildete Mittelschicht sei der Hauptpersonenkreis, der seine Kinder zu Tagesmüttern gebe, von denen auch eine bestimmte Qualität der Betreuung erwartet werde.

Zum Schluss nannte die Bundesvorsitzende Zahlen und rechnete vor:
„Wenn nur 30 Prozent der Kinder unter drei Jahren durch Tagespflege betreut werden, dann brauchen wir hier im Westen (in der Ex-DDR war alles besser geregelt und ist es heute auch noch) noch zusätzlich
118000 Plätze. Wir als Bundesverband“, so die Referentin, „gehen davon
aus, dass für 35 Prozent der Kinder Plätze gesucht werden, obwohl
alle einen Rechtsanspruch darauf haben.“

Hedi Wegener bedauerte Kinder, die bis zur Einschulung als Einzelkind nur zu Hause sein müssten und verglich deren Entwicklungs- und Bildungsstand mit Kindern aus Kitas, der auf allen Gebieten weit höher sei. Fazit war die Frage: Was nützt wem mehr? Ist es der Bau einer für die Kommune teuren Kindertagesstätte?
Oder ist es die Billiglösung einer Tagesmutter, die von der Kommune Räumlichkeiten die ohnehin bestehen zur Verfügung gestellt bekommt?

Eifrige Diskussion
Darüber kam es zur Diskussion.
Ein Teil der Versammlung sprach sich für die variable Lösung durch das Tagesmuttermodell aus, der andere dagegen. Die Befürworter sahen den praktischen Sofortnutzen für die betroffene Elternschaft, die Gegner vermissten eine qualifizierte Ausbildung der Tagesmütter und sprachen die Befürchtung aus, dass das nur des Geldes wegen gemacht werde und dass man auch den Kindsmissbrauch leider mit ins Kalkül ziehen müsse.

Der Plattlinger SPD-Politiker Anton Bernauer dazu:
„Das alles hatten wir schon vor 50 Jahren diskutiert, auch darüber, dass es mehr Firmenkinderbetreuung geben müsse.
Ein anderer sagte eindeutig:
„Kinderbetreuung soll man nicht in private Hände geben, das ist eine öffentliche Aufgabe.“
Hartmut Manske betonte ebenfalls, dass man Kinder, die hochsensible Wesen seien, nicht Leuten mit einer Schmalspurausbildung anvertrauen dürfe.
Eine Gegenantwort dazu war: „Mütter, die ihre Kinder ganz normal erziehen, haben ja auch keine professionelle Ausbildung.“
Ein Gemeinderat aus der Runde stellte klar, dass das Kinderbetreuungsgesetz alle aufgetretenen Fragen regele und dass deshalb Tagesmütter nur eine Ergänzung sein könnten.

Bei der Tagung in Plattling: (v. l.)
Hartmut Manske, Unterbezirksvorsitzender 60plus aus dem Kreis Dingolfing-Landau/Rottal-Inn, Referentin Hedi Wegener MdB a. D. und Bundesvorsitzende
des Bundesverbandes für Kindertagespflege und MdB a. D. Bruni Irber,
60plus-Bezirksvorsitzende für Niederbayern. (Foto: H. Keller)

Bericht Herr Keller, Plattlinger Anzeiger vom 31.03.2011

 
 

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