Kampf gegen die Pharma-Lobby

Bundespolitik

Plattlinger Anzeiger, 17. Februar 2017:

 Ständiger Kampf gegen die Pharma-Lobby 

SPD-Bundestagskandidatin Anja König plädiert für eine Bürgerversicherung

Plattling. (hk) Die Vorsitzenden der SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus für den Bezirk Niederbayern, Hartmut Manske und Gerlinde Saller, hatten für Mittwochnachmittag den erweiterten Vorstand zu einer Sitzung ins zentral gelegene Plattling eingeladen. Im Gasthaus Fischerstubn konnte Manske neben seinen Vorstandskollegen auch die nominierte Bundestagskandidatin Anja König begrüßen, die einen Sachvortrag hielt zum Thema „Ist die Bürgerversicherung eine Arbeitsplatzvernichtungsmaschine oder eine echte Chance?” König ist Vorsitzende des SPD-Stadtverbands Landshut und Leiterin des ServiceCenters Landshut der Betriebskrankenkassen BKK VBU.

 

Doch bevor es über die schwierige Thematik Bürgerversicherung ging, sprach Hartmut Manske ein kurzes Grußwort zur aktuell politischen Situation der Sozialdemokraten im Bund und über die SPD-Erfolge Steinmeier und Schulz.

Mit Frank Walter Steinmeier sei ein Mann zum Bundespräsidenten gewählt worden, der die Deutschen zu mehr Mut für die Demokratie aufgerufen habe. „Diese Aufforderung”, so interpretierte Manske den neuen Präsidenten, „richtet sich jedoch nicht nur an die Senioren in unserer Gesellschaft, sondern besonders und vor allen Dingen auch an die jüngeren Generationen. Mit Martin Schulz hat die SPD einen erfahrenen Kommunal- und Europapolitiker, der in Brüssel nicht nur Großes geleistet hat, er ist auch der Mann der kleinen Leute, weil er sich selber von unten nach oben gearbeitet hat.”

Deshalb mache sich jetzt schon Nervosität bei den Parteien CSU und CDU bemerkbar, indem versucht werde, wie kürzlich im Falle von Finanzminister Schäuble, Schulz mit Donald Trump zu vergleichen und auf eine Stufe zu stellen. Manske: „Beleidigungen und Verleumdungen haben wir im Wahlkampf nicht nötig, denn wir arbeiten mit Argumenten und nicht mit Hetze.”

Auch Referentin Anja König musste vor ihrem Fachvortrag noch einiges los werden, was ihr unter den Nägeln brannte. So fand es König empörend und sehr enttäuschend, wie die Partei mit Johanna Ueckermann umgesprungen ist, die, obwohl die bessere Bundestagskandidaten, nur aus Gründen des Proporzes einen schlechten Listenplatz bekommen habe. König: „Wir brauchen doch gerade solche Kandidaten,die wie Schulz von unten kommen.“ Sie sah auch die Chance, mit Schulz als SPD-Parteichef auch die Bayern-SPD voranzubringen.

Um aufzuzeigen, um welche Dimensionen es bei einer ins Auge gefassten Bürgerversicherung geht, nannte die SPD-Politikerin einige Zahlen. Danach gab es 1992 noch um die 1221 gesetzliche Krankenkassen, die bis 2016 auf 118 zusammenschmolzen, die zurzeit 71 Millionen Versicherte zu betreuen haben. Davon sind 4,5 Millionen Privatversicherte mit 4,3 Millionen Beihilfeberechtigten. Lagen die Kosten für die Krankenkassen im Jahr 2011 noch bei 178 Mrd. Euro,

so stiegen diese 2015 bereits auf 202 Mrd. Euro. Hauptkostenverursacher seien die Ärzteschaft und die Ausgaben für Medikamente. Die starke Lobby der Pharmaindustrie machte König als Kostentreiber aus: „Wir dürfen keine Angst mehr vor diesen Lobbygruppen haben,sondern wir müssen massiv gegen diese mit Aufklärung über deren Arbeitsweise vorgehen, damit die sich nicht ständig goldene Nasen verdienen“, forderte sie. Nachdem die Referentin ein unglaubliches Preisgebaren bis hin zu zehnfach erhöhten Preisen bei Medikamenten aufgezeigt hatte, forderte sie, dass es keine Trennung unter den Versicherten mehr geben dürfe und dass alle Versicherten in eine Bürgerversicherung übergeführt werden sollten und das unter Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze. „Ich plädiere dafür, diese abzuschaffen, weil sie nicht solidarisch ist, auch wenn ich selber betroffen bin.” Solidarisch sein heiße, so König, zur jetzigen Schieflage, dass alle Versicherten hälftig einzahlen.” In diesem Kontext der Kostenverteilung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern ging König auch mit der Unternehmerschaft ins Gericht und nannte es ein Leichtes für die finanzstärkeren Partner, wenn diese sich wieder zur paritätischen Beitragsentrichtung entschließen könnten, die nur wegen der Wirtschaftskrise in den Jahren 2008/2009 zuungunsten der Arbeitnehmerschaft abgeschafft worden sei.

Zur angeblichen Arbeitsplatzvernichtung durch eine Bürgerversicherung rechnete König vor, dass die Versicherten durch eine Zusammenlegung ja nicht geringer würden und dass man das Personal der Privatkassen für diese langwierige Umstrukturierung dringend brauche, weil bei den gesetzlichen Kassen jetzt schon eine Unterbesetzung zu erkennen sei. Bei allem schaffe auch die Digitalisierung keine Erleichterung.Dadurch könne die Verringerung von Personal nicht kompensiert werden. „Obwohl die Kosten für den Verwaltungsaufwand bei Krankenkassen relativ gering sind”, beklagte König die Personallage, „wird weiter Personal abgebaut mit der Folge, dass trotz Digitalisierung die Versicherten für ihre Belange immer längere Wartezeiten erdulden müssen.”

König sprach in diesem Zusammenhang von einer massiven Ausbeutung des Personals durch die Arbeitgeber. Abschließend schlug die SPD-Bundestagskandidatin vor, die jetzige Anzahl von ca. 118 gesetzlichen Krankenkassen schon mal auf zehn zu reduzieren, denn bisher habe keine Kasse der anderen im großen Umfang beitragszahlende Mitglieder weggenommen.

Bild Plattlinger Anzeiger:

Hartmut Manske (stehend) ging auf die aktuelle Lage ein, während die Bundestagskandidatin Anja König über die Idee einer Bürgerversicherung in den Fischerstubn referierte. (Foto: Keller)

 
 

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